Zensur in Ungarn gegen Esterházy "So weit ist es also"
Es fehlten nur ein paar Sätze, aber kürzlich hat auch der
Schriftsteller Péter Esterházy in Ungarn Zensur zu spüren bekommen. Was
der Konflikt um einen kurzen Radiotipp über die aktuelle Kultur- und
Medienpolitik in Budapest verrät.
Péter Esterházy selbst nennt die Angelegenheit abwehrend eine
"Nicht-Geschichte". Er will keine große Sache daraus machen - aber dafür
ist es wohl schon zu spät. Der ungarische Autor und Essayist, schon
lange auch und vor allem in Deutschland einer der berühmtesten
Schriftsteller seines Landes, lebt und schreibt in Budapest.
Er ist kein Freund der aktuellen Regierung, er misstraut der
nationalkonservativen Truppe rund um Viktor Orbán, hatte aber bisher
persönlich keinen Anlass, sich von den Kulturpolitikern der Fidesz
bedrängt zu fühlen. Das ist seit dem 25. Dezember anders.Am Tag zuvor, an Weihnachten, hatte Esterházy auf Bitten eines freien Mitarbeiters des staatlichen Rundfunksenders Kossuth-Rádió einen Kulturtipp aufgenommen: "Fünf Minuten am Nachmittag, jeden Monat einmal sollte ich das machen, Tipps für Bücher, Ausstellungen, Theater." Als sein Kulturtipp in der Sendung Trendidök am folgenden Tag ausgestrahlt wurde, fehlten allerdings ein paar Sätze. Es waren just jene, in denen Esterházy die Ungarn aufgefordert hatte, noch einmal ins Nationaltheater in Budapest zu gehen, bevor der dortige Intendant wechselt. Theaterchef Róbert Alföldi muss nämlich gehen; sein Vertrag wird nicht verlängert. Alföldi wird demnächst durch einen Theatermann aus Debrecen, den bekennenden Fidesz-Anhänger Attila Vidnyánszky, ersetzt. Esterházy war erstaunt, dass ein Teil seines Beitrags herausgeschnitten worden war. "Ich war ja nicht provokativ gewesen, hatte keine kulturpolitische Aggression von mir gegeben."
Gleichzeitig, und das wurmt ihn doch sehr, habe er ein mulmiges Gefühl gehabt und an den Mitarbeiter, der ihn um den Beitrag gebeten hatte, gemailt: Solle da etwas zensiert werden, dann lege er Wert darauf, dass der ganze Beitrag nicht gesendet wird. "So weit ist es also, ich habe es eigentlich nicht geglaubt - aber das Misstrauen war da." Er habe doch nur dem Volk raten wollen, ins Nationaltheater zu gehen, aber das habe das Volk ja nun nicht mehr gehört, sagt der Schriftsteller und wundert sich über sein Land: "Wenn schon so eine kleine Sendung einen Eingriff wert ist, wo sind wir dann hingekommen?"
Wenig später berichtete Esterházy von dem Vorfall in einem Aufsatz in der Zeitschrift Élet és Irodalom und schrieb, er habe schon einmal eine Zeit der Zensur erlebt und wolle das nicht noch einmal erleben. Damit war die Sache in der Welt.
Am 3. Januar entschuldigte sich die Leitung des Senders, bestritt aber, wie der Online-Nachrichtendienst politics.hu meldet, dass es sich um politische Zensur gehandelt habe. Esterházy habe mit dieser Bemerkung keinen konkreten Tipp verbunden, daher habe man diesen Teil eben herausgeschnitten.
Wieder im Fokus der europäischen Öffentlichkeit
Zwei Ergebnisse zeitigte die Sache so oder so: Der Autor wird keine Sendung für Kossuth-Radió mehr machen. Und: die nationale Kultur- und Medienpolitik ist wieder einmal im Fokus der europäischen Öffentlichkeit gelandet, was der Regierung Orbán partout nicht gefällt. Denn schon in der Vergangenheit hatte es Zensurvorwürfe gegeben, die selbst in Brüssel heftige Reaktionen hervorriefen. Der Nachrichtenredakteur Daniel Papp hatte einen Bericht über den grünen EU-Parlamentarier Daniel Cohn-Bendit so zusammengeschnitten, dass er ehrabschneidend und polemisch wurde. Daniel Papp wurde versetzt, fiel erst auf der Karriereleiter nach oben, später dann allerdings wurde er abgestraft. Wenig später wurde in einer Sendung des staatlichen Fernsehens das Gesicht des Orbán-Kritikers und Ex-Richters Zoltán Lomnici aus einer Gruppe von Menschen herausgepixelt.Medienkritiker beklagen zudem regelmäßig, dass in den staatlichen Medien selten regierungskritische Demonstrationen oder oppositionelle Stimmen zu Wort kommen. In letzter Zeit indes hatte sich der Vorwurf vor allem darauf verlagert, dass aufgrund des politischen Drucks und zahlreicher Entlassungen kritischer Journalisten die berühmte Schere im Kopf zu greifen beginne: Offene Kritik werde aus Existenzangst nur noch selten geäußert. forrás: Süddeutsche Zeitung
Nincsenek megjegyzések:
Megjegyzés küldése